Dienstag, 24. November 2009

Wie Rich Ross' Umstrukturierung der Disney-Studios die ganze Filmindustrie beeinflussen könnte

Rich Ross (l.) hat gut grinsen: Von den Antipathien, die für ihn stellenweise geherrscht haben sollen, ist nichts mehr zu hören

Seit Rich Ross den Posten des Vorsitzenden der Walt Disney Studios von Dick Cook übernahm, gab es kaum eine Woche, in der es nicht irgendeine kleine oder große Änderung in der Führungsstruktur dieses Hollywoodstudios zu berichten gab. Ständig besetzt er irgendwelche Posten neu, immer wieder wird gemeldet, dass Disney unter Ross neue Wege gehen möchte.

Wie bedeutsam die von Ross durchgesetzten Änderungen tatsächlich sind, wird mir dennoch erst jetzt bewusst: In einem aktuellen Artikel der LA Times wird beleuchtet, wie die von Rich Ross erneuerten Walt Disney Studios die gesamte Filmindsutrie Hollywoods verändern könnten.
Die LA Times betont, dass Rich Ross (der zuvor den Disney Channel zu einer Multi-Millionen-Dollar-Druckmaschine für den Konzern verwandelte) radikal die eingefahrenen Wege der Filmindustrie in Frage stellt und mit Hochdruck nach einer vollumfänglichen Modernisierung drängt.

Im Marketingbereich fordert Ross, damit aufzuhören mehrere Dutzend Millionen für Fernseh-Blitzkampagnen zu verschwenden. Stattdessen sollen gezielte, ausgeklügelte Kampagnen auf kommende Filme hinweisen, im Idealfall durch Rückgriff auf soziale Netzwerke und das Internet allgemein. Eine meiner Meinung nach gute und überaus notwendige Idee, da Fernsehspots schon lange nicht mehr die Kernzielgruppe vieler Hollywoodfilme erreichen. Und für uns als Konsumenten sind originelle Kampagnen eh viel informativer und unterhaltsamer, ganz davon zu schweigen, dass die Studios (vielleicht, vielleicht, möglicherweise) das gesparte Geld in mehr gute Filme investieren könnten...

Ross ist zudem ein lautstarker Befürworter der "digitalen Wolke". Disney solle sein gesamtes Filmarchiv digital zur Verfügung stellen. Selbstverständlich nur gegen Bezahlung. Fans obskurer oder längst vergessener Filme, bei denen sich eine Veröffentlichung als Disc nicht lohnt, kämen so endlich in den Genuss ihrer unterschätzten Lieblinge.

Kritischer sehe ich Ross' und Igers Wunsch, das Zeitfenster zwischen Kinostart und Heimkinoveröffentlichung zu kürzen. Zahlreiche Insider gaben nämlich Disneys vorhersagbarer Veröffentlichungspolitik eine nicht zu unterschätzende Mitschuld am Misserfolg der späteren Zeichentrickfilme wie Der Schatzplanet oder Bärenbrüder. Und auch ich sehe es ähnlich: Wenn ein Film zu kurz nach Kinostart auf DVD erscheint, dann gehen nur noch die ungeduldigsten Leute ins Kino, und selbst dann lohnt es sich nur noch bei großen Augenschmaus-Epen.

Während Ross weiterhin einen Vorsitzenden für die Marketingabteilung der Disneystudios sucht und an der geschäftlichen Struktur arbeitet, lassen Stimmen aus Hollywood endlich erste Anzeichen erkennen, welche inhaltliche Richtung Ross für Disney vorbestimmt hat. So gaben Disneysprecher nach dem Produktionsstopp von McGs 20.000 Meilen unter dem Meer bekannt, dass die bereits in den letzten Jahren unter Cook eingeschlagene Richtung hin zu mehr Eventfilmen weiterhin beibehalten wird. Große, Aufsehen erregende Produktionen wie Pirates of the Caribbean, Das Vermächtnis der Tempelritter, Alice im Wunderland und Tron Legacy sind die Hauptdevise, nach der Disney in den kommenden Jahren operieren möchte. Generell soll ein größeres Augenmerk auf Franchises gelegt werden, Filme sollen mehr sein als eine Einzelproduktion. Mögliche Fortsetzungen und ein großer Wiedererkennungswert gehören dazu. Bleibt nur zu hoffen, dass Disney dabei nicht den Blick für Kleinode verliert. Denn so sehr ich Pirates of the Caribbean und Co. liebe, unscheinbare Filme gehörten für mich seit jeher ebenso sehr zum Disney-Erlebnis dazu.
Sofern diese weiterexistieren, steht ich jedoch hinter dem Plan, sich stärker hinter seine Franchises zu stellen, denn wann immer Disney eine eigene Marke schafft ist das Studio in seiner Komfortzone und bringt gerne Topleistungen zu Stande. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Meisterwerke-Kanon so gesehen eines der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten ist...

Überhaupt möchte der Konzern sich stärker auf bestimmte Topmarken konzentrieren. Disney, Pixar und Marvel sollen, stets mit ihrer eigenen, ausgeprägten Identität, mit Topfilmen und durchdachter Weiterverwertung im Fernsehen und den Parks das Geschehen des Konzerns bestimmen. Ich bange jetzt schon um die Zukunft von Miramax und Touchstone Pictures. Mir wäre es am liebsten, wenn beide Marken weiter bestehen würden. Man könnte ihnen doch ebenfalls eine stärkere Ausprägung geben und als wiedererkennbare Qualitätsmarken einführen. Wieso hört bei Disney niemand auf mich?

Zumindest einen Trost bezüglich dessen gönnt mir Disney: Rich Ross soll offen dafür sein, das Verständnis dessen, was ein Disneyfilm ist auszuweiten. Solche Filme wie Pirates of the Caribbean oder demnächst Prince of Persia könnten also eines Tages unabhängig von Jerry Bruckheimers Narrenfreiheit entstehen. Generell sei Ross für eine größere Abwechslung sowie eine stärkere Umsetzung im Filmbereich. Disneys Erwachsenenlabels rettet diese Einstellung zwar nicht gerade, aber sie könnte der Disney-Marke ungeheuer gut tun. Mehr Abwechslung schadet selten - ich war stets ein Verteidiger der vielfältigeren Phasen von Walt Disney Pictures. Dramen, Abenteuerfilme, Komödien mit unterschiedlichsten Schwerpunkten, Actionfilme, Musicals,...
Disney kann so vieles bedeuten, wieso immer in bestimmten Gefilden einkerkern?

Sollten Rich Ross' Strategien aufgehen, so rechnet die LA Times mit einer gewaltigen Wechselstimmung in Hollywood. Der Disneyweg wäre dann das große Vorbild der anderen Studios.

Zu guter letzt muss noch betont werden, dass Ross fleißig dabei ist, die von seinem Vorgänger Dick Cook geschaffenen Kontakte zu pflegen. Als Cook das Studio verließ, ging ein Ruck durch Hollywood und Größen wie Spielberg, Burton und Johnny Depp äußerten ihren Unmut. Die LA Times zitiert nun Steven Spielberg und seine Dreamworks-Partnerin Stacey Snider und erweckt den Eindruck, dass Ross Cooks Fußstapfen folgen kann: "Wir waren sehr traurig, dass Cook nicht mehr da ist, aber nun sind wir völlig auf [Ross'] Seite." Auch mit Jerry Bruckheimer versteht sich Ross sehr gut, der Erfolgsproduzent schreibt ihm eine hohe Moral zu. Tja, und selbst ein Treffen mit Tim Burton soll sehr enthusiastisch verlaufen sein.

Alles eitel Sonnenschein in Disneyland? Ich würd' mich freuen...

Siehe auch:

1 Kommentare:

Luanalara hat gesagt…

Natürlich wird man sich bei Disney nach dem ganzen Aufruhr nun bemühen, möglichst als Einheit nach außen aufzutreten. Klug ist es auf jeden Fall von Ross zu versuchen, Cooks Freunde für sich zu gewinnen, falls er mit einigen nicht eh schon befreundet war.

Mir gefällt auf jeden Fall seine Marketingidee, von dem festgefahrenen TV-Schema wegzukommen und verschiedenste Wege zu nutzen. Ich seh's ja an meinem Bekanntenkreis: Wenn TV geschaut wird, dann so gut wie nur ganz bestimmte Sachen; "Mal schauen, was so kommt"-Zapping gibts kaum mehr.

Generell begrüße ich es sehr, dass man seine Franchise-Marken pflegen möchte. Ich hoffe, sie vertrauen darauf, dass das Publikum nicht nur stumpfsinnig unterhalten werde möchte, sondern gerne auch mal etwas mitdenkt. Egal was so manche Kritiker sagen.
Solange man dennoch auch kleine Produktionen fördert, ist daran nichts ausszusetzen. So könnte man ja auch Touchstone und Miramax wunderbar eingliedern, wenn man sich unter dem Disney-Label eher auf Blockbuster konzentrieren will.

Ich bin allerdings auch gegen die verkürzte Zeit zwischen Kinoausstrahlung und DVD-VÖ. Ins Kino gehen dann wirklich nur noch, wie du sagst, die Ungeduldigen, oder eben richtige Fans (vom Regisseuer, Schauspielern, Franchise, was auch immer). Der ganze Rest, der sich nicht so ganz sicher ist, wartet ab. Mach ich ja auch bei Filmen, die mich nicht so richtig ansprechen. Denn mittlerweile muss man ja nicht mehr lange warten... So kann man dem Trend sicher nicht entgegenwirken, dass die Leute immer seltener ins Kino gehen.

Iwe immer heißt es dann wohl bei den ganzen geplanten Änderungen: Abwarten und Tee trinken.

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