Montag, 7. Mai 2012

Dark Shadows


Dark Shadows ist eine mit übernatürlichen Elementen gespickte Seifenoper aus den Sechzigern und Siebzigern, zu deren begeisterten Fangemeinde auch Johnny Depp gehört. Der Trailer zu der von ihm produzierten und von Tim Burton inszenierten Kinoadaption rief jedoch unter den treuen Fans des Originals allerhand erzürnte Reaktionen hervor, da dieser auf sehr knalligen Humor setzt und Dark Shadows als quirlige "In einer fremden Zeit gestrandet"-Komödie mit einem Vampir als Hauptfigur verkauft. Der Trailer könnte bei einigen Kinogängern nicht nur die Erwartungen, sondern auch die Wahrnehmung des eigentlichen Films einfärben. Denn es ist sehr gut denkbar, dass sich viele bislang erzürnte Fans nun eher positiv über Dark Shadows äußern werden, schlichtweg, weil er anders als der Trailer ist. Für sich betrachtet ist er leider dennoch ein enttäuschender Film ...

Die Collins-Familie siedelt im Jahre 1752 von Liverpool nach Maine, wo sie ein sehr erfolgreiches Fischereiunternehmen begründet. Als der Lebemann Barnabas Collins (Johnny Depp) die Hausmagd Angelique (Eva Green) zu Gunsten einer anderen Frau verstößt, nutzt sie dunkle Mächte, um sich für ihr gebrochenes Herz zu rächen. Nachdem alle, die Barnabas etwas bedeuteten, sterben mussten, verwandelt sie ihn in einen Vampir und hetzt das Dorfvolk auf ihn. Lebendig begraben kann er sich erst im Jahre 1972 aus seinem Grab befreien. Im mittlerweile heruntergekommenen Familienanwesen trifft er auf einen versoffenen Haushälter (Jackie Earle Hale), ein ihn berückendes, schüchternes Hausmädchen (Bella Heathcote), eine verbiesterte Matriarchin (Michelle Pfeiffer), einen nichtsnutzigen Vater (Johnny Lee Miller), einen Jungen, der Gespenster sieht (Gulliver McGrath), eine moderne Teenagerin (Chloë Moretz) sowie eine versoffene Psychiaterin (Helena Bonham Carter). Barnabas nimmt sich vor, die Familie mitsamt Anwesen wieder auf Vordermann zu bringen, doch dabei hat er die Rechnung ohne Angelique gemacht, die auch nach fast 200 Jahren hinterlistig wie eh und je ist ...

Die im Trailer ausgeschlachteten Anpassungsschwierigkeiten Barnabas' an die Welt der Siebziger gehen kaum weiter, als in der Vorschau gezeigt. Kurz nach seiner Befreiung aus seinem Grab hat er die für solche Filme üblichen Auseinandersetzungen mit Leuchtreklamen, der Gesellschaftsstruktur, Fernsehen und Autos, es gibt ein paar Dialogwitze über seinen altertümlichen Sprachschatz und das war es weitestgehend auch schon. Der gewissermaßen einen Spagat zwischen Beetlejuice und Mars Attacks! angesiedelte, schrille Humor nimmt nur sehr wenig Zeit in Anspruch und ist im Filmfluss zudem auch etwas gedämpfter inszeniert, als der Trailer vermuten lässt. Die meisten dieser Comedy-Einlagen sind auch ganz amüsant, vor allem Barnabas' erste Begegnung mit modernen Errungenschaften sowie der komplette anachronistische Wortwitz, manche Gags sind jedoch auch bereits altbacken und vorhersehbar.

Das Hauptaugenmerk des Films liegt allerdings darauf, die Grundstimmung einer Gothic Soap Opera in Form eines rund zweistündigen Spielfilms zu rekreieren. Das ist ein reizvolles Konzept ist, lief allerdings in der Ausführung ziemlich schief: Dark Shadows eröffnet mit einem von Barnabas erzählten Prolog, der in atmosphärischen Bildern erzählt, wie aus dem reichen Sohn zweier Auswanderer eine gräßliche Kreatur der Nacht wurde. Doch aufgrund des hohen Erzähltempos läuft dies ohne jedes wirkliches Flair einer geisterhaften, tragischen Liegesgeschichte ab. Daraufhin übernimmt kurzzeitig Victoria, das neue Hausmädchen der Collins, die Rolle der Protagonistin, und dem Zuschauer wird in Form einer trockenen, schwarzen Komödie die seltsam zusammengewürfelte Collins-Familie vorgestellt. Wie in der Originalserie kann sich Victoria aber nicht lange als Hauptfigur erweisen, denn sobald Barnabas aufersteht, reißt er das Geschehen an sich, und es folgt ein ungewöhnlicher, meiner Ansicht nach allerdings stimmiger Mix aus den obig beschriebenen Comedy-Elementen und einer mit übernatürlichen Elementen gespickten Familien- & Liebesgeschichte. Zu letzterem gehören auch allerhand Lügen, Intrigen und unerfüllte Romanzen. Im ausschweifenden Finale dreht Tim Burton urplötzlich auf und zelebriert ein schrilles Horror-Actionfest.

Die tonalen Inkonsistenzen sind nicht einmal das wahre Problem von Dark Shadows. Burton mischte hier eine für ältere Kinder und junggebliebene Horrorfans geeignete Mischung aus Liebe, Schrecken und Spaß zusammen. Dass diese Zusammenstellung nicht gefällt, liegt an der in dieser sich beständig wandelnden Stimmung erzählten Geschichte. Oder genauer gesagt an den zahlreichen, abgehetzten Geschichten, die Burton und Drehbuchautor Seth Grahame-Smith (nach einem Storyentwurf von John August) erzählen wollen. Burtons Dark Shadows wirkt wie zwei Jahresstaffeln einer Seifenoper im Zeitraffer: Barnabas nimmt sich vor, das heruntergekommene Familienanwesen und -ansehen dadurch aufzupolieren, dass er seinen Nachkommen hilft, das eigene Fischereiunternehmen anzukurbeln. Eine kurze Filmmontage später steht das Geschäft. So zieht es sich durch den gesamten Film: Viele Nebenstorys werden angefangen, manche von ihnen werden auch beendet, doch keine von ihnen entwickelt sich auch. Wenn im Finale plötzlich das Geschäft der Collins bedroht wird, bleibt dies uninteressant, da das Publikum dem Aufstieg der Fischerei gar nicht entgegenfiebern musste. Victoria spricht im Laufe des Films davon, nun so glücklich wie nie zuvor zu sein – vorbereitet wurde dies aber nicht.

In Dark Shadows tummeln sich viel zu viele Handlungsfäden, so dass letztlich alle unterkocht und unbedeutend bleiben, weswegen auch viele der Randfiguren konturlos geraten sind, was wiederum dazu führt, dass der Film abseits seiner Comedy und den gelungeneren Sequenzen der zentralen Geschichte um Barnabas Fluch einfach nur langweilt. Statt wie in einer laufenden Seifenoper scharenweise Intrigen zu spinnen, welche nicht schockieren können, wenn sie bloß auf je zwei Szenen beschränkt werden, wäre weniger mehr gewesen. Dann könnte die Mischung aus menschlichem Lug und Trug auf der einen und übernatürlichem Hokuspokus auf der anderen Seite auch die beabsichtigte, faszinierende Wirkung entfalten. Burtons Regieführung geriet solide, er lässt Dark Shadows klasse aussehen, einzelne Szenen sind toll ausgearbeitet, wie etwa das Happening im Hause Collins mit Musik von Alice Cooper und einigen in die Szene eingefühgten, anrührenden Rückblicken. Aber szenenübergreifend konnte mich Burton nicht packen, immer wieder verlor er mich im durchschnittlichen Geplänkel seiner filmischen Gothic-Seifenoper.

Ebenso wenig gelingt es der Darstellerriege, dem unausgegorenen Drehbuch das nötige Flair zu entlocken. Johnny Depp ist zwar nicht schlecht in der Rolle des Barnabas, doch weder erreichen die Szenen, in denen er seiner durch Flüche verhinderten Liebe hinterhertrauert auch nur ansatzweise an die Leistung in Sweeney Todd heran, noch dreht er zu komödiantischer Hochform auf. Man könnte sagen, dass er eine eher blasse Figur abgibt, aber auf dieses Wortspiel steht sicherlich zehn Wochen Schreibverbot. Michelle Pfeiffer, Johnny Lee Miller und Gulliver McGrath sind bloß anwesend, während Helena Bonham Carter eine stark abgemilderte Form ihrer durchzechten Figuren abliefert. Eva Green dagegen macht Spaß als selbstgefällige, diabolische Überschurkin, selbst wenn ihre manchmal aufblitzenden Risse in der Fassade, die eine emotional verletzte Wahnsinnige erkennen lassen, gerne häufiger hätten vorkommen sollen. Auch Chloë Moretz spielt in ihrer x-ten nicht altersgerechten Rolle gut auf, als zugedröhntes Siebziger-Teenie hat sie einige der witzigeren Momente für sich gepachtet. Doch genau wie Jackie Earle Haley kommt sie zu wenig im Film vor. Mit stets weltoffenen, neugierigen Augen durch das Geschehen zu stapfen fordert derweil Bella Heathcote nicht sonderlich heraus, aber sie gefällt mir als "die Normale" und sie bringt auch das Zeug dazu, den roten Faden des Films zum Funktionieren zu bringen, doch sie wird von Depp und dem unkonzentrierten Drehbuch dazu zu sehr an den Rand gedrängt.

Für überzeugte Fans von Depp und/oder Burton oder jene, die ganz vernarrt in alle dunklen, geisterhaften Romanzen sind, ist Dark Shadows gewiss einen vorsichtigen Blick wert. Über dröges Mittelmaß kommt Burtons Vampir-Seifenoperkomödie allerdings trotz entsprechendem Potential nicht hinaus, da sie zu viel in zu kurzer Zeit erzählen will und sich somit nur unkonzentriert an der Oberfläche entlangknabbern kann.

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