Samstag, 22. Februar 2014

Meine 30 Lieblingsfilme 2013 (Teil I)

Ja, ja, ich weiß, welcher Kommentar einigen von euch in den Fingern juckt. Spart ihn euch: Ich weiß, dass ich mit der Aufzählung meiner liebsten Filme des vergangenen Kinojahres später dran bin als nahezu alle anderen Filmblogger dieser Welt. Doch ich möchte das Kinojahr ein wenig ruhen lassen und zu den Starts aus den späteren Monaten ein wenig Abstand gewinnen, ehe ich versuche, abzuschätzen, welche Produktion mir denn wie sehr ans Herz gewachsen ist.

Womit ich beim nächsten entscheidenden Punkt angelangt wäre. Und ich kann es wahrlich nicht oft genug wiederholen: Dies sind meine liebsten Filme 2013. Es sind nicht zwingend die meiner Ansicht nach wichtigsten Kinostreifen, es sind nicht die, die in der Filmgeschichte am ehesten einen Ehrenplatz verdient hätten. Es sind nicht meine Empfehlungen für jedermann oder den großen, geheiligten Kanon der Filmkunst. Es sind die Filme, an die ich am liebsten zurückdenke, die Werke, die mich am nachhaltigsten mit ihrem Spaß, ihrer Spannung oder ihrem Tiefsinn erfreuen. Es sind die Filme, die mein Herz höher schlagen lassen. Wenn also kein potentieller Oscar-Gewinner auf dem ersten Platz landet … lebt damit. ;-)

Platz 30: Drecksau (Regie: Jon S. Baird)
Eine Tour de Force von einem Psychodrama: James McAvoy spielt in dieser Romanadaption einen intriganten, drogensüchtigen, übellaunigen Cop, der sich zwecks einer Beförderung darin übt, seine Kollegen und Kolleginnen schlecht aussehen zu lassen. Gleichzeitig nimmt er einen schwer durchschaubaren Mordfall an, hoffend, so seinem Vorgesetzten zu beweisen, dass er das beste Pferd im Stall ist. In Wahrheit ist er aber nur eine unausstehliche Drecksau – oder doch nicht? McAvoy legt die Hauptfigur in diesem beklemmend inszenierten Psychogramm als teils mitleiderregenden, teils abscheulichen Verlierer in einem ständigen Kampf gegen innere Dämonen an. Erdrückende Musikbegleitung von Clint Mansell (seit Requiem for a Dream ein Maestro der psychotischen Filmmusik) und zunehmend albtraumhafte Bilder machen diese bittere Tragikomödie dann endgültig zu einem soghaften, schwer vergesslichen Schweinsgalopp durch das schwere Leben eines Soziopathen.

Platz 29: Prisoners (Regie: Denis Villeneuve)
Zwei befreundete Familien begehen unbedarft ihre jährliche, gemeinsame Thanksgiving-Feier. Bis plötzlich die beiden jungen Töchter der liebenden Eltern verschwinden. Einen Verdächtigen will der aufgebrachte Vater Keller Dover (Hugh Jackman) bereits ausfindig gemacht haben, aber der nervlich angeschlagen wirkende Polizist Loki (Jake Gyllenhaal) hegt mächtige Zweifel an Kellers Theorien. Regisseur Denis Villeneuve streut in seinem bedächtig erzählten, moralisch ambivalenten Kriminaldrama Indizien für beide Seiten dieser verzweifelten Suche nach Gerechtigkeit, was es zu einer intellektuell packenden, berührenden Kinoantwort auf diverse TV-Krimiserien macht. Jackman und Gyllenhaal sowie Paul Dano als Hauptverdächtiger liefern intensive, die Dramatik schürende Performances ab und Kameralegende Roger Deakins taucht das Geschehen in kühle, schattige Bilder, die zu den besten des Kinojahres zählen. Eine bewusste Publikumsirreführung weniger hätte es sein dürfen, sonst aber ein wirklich runder Vertreter eines schnell unterschätzten Genres.

Platz 28: Das ist das Ende (Regie: Seth Rogen & Evan Goldberg)
Unter den Weltuntergangskomödien des Filmjahres 2013 ist diese mein Favorit: Wirkte im direkten Vergleich Edgar Wrights The World's End auf mich zu verkrampft, zu bemüht, zu hölzern, so ist das Langfilm-Regiedebüt von Seth Rogen und Evan Goldberg in meinen Augen ein herrlich losgelöster, wilder Kinospaß. Die unaufhaltsamen Wortgefechte zwischen Seth Rogen, Jay Baruchel, Danny McBride, Jonah Hill, James Franco und Craig Robinson sind nicht nur spitzzüngig, sondern demontieren gleichermaßen Hollywood-Freundschaftsklischees. Die Darstellertruppe zieht das Image jedes einzelnen Mitglieds dieser Bande durch den Kakao und obendrein gibt es zwischen den lauten Lachern auch einige glaubwürdige Randbemerkungen über die Funktionsweise von Freundschaftskreisen zu vernehmen. Hinzu kommt eine gute Prise apokalyptisches Chaos und fertig ist eine der lustigsten Hollywood-Komödien der vergangenen zehn Jahre.

Platz 27: Kon-Tiki (Regie: Joachim Rønning und Espen Sandberg)
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schö-höön … Oder? Der Naturforscher und Entdecker Thor Heyerdahl macht es sich im Jahre 1947 zur Aufgabe, einen uralten Glauben der Geschichtsforschung zu widerlegen, wonach die ersten Einwohner Polynesiens aus Taiwan kamen. Befreundete Einwohner dieses sonnigen Paradieses erzählen in ihren Sagen nämlich von ersten Siedlern, die aus Richtung Südamerika kamen. Also trommelt der verbissene, wissbegierige Abenteurer eine eklektische Truppe zusammen, die ihm auf einem nur mit Mitteln aus der Zeit um 450 gebauten Floß auf eine Expedition begleiten, die beweisen soll, dass eine Überfahrt auf dieser Strecke tatsächlich möglich ist. Auf dieser todesmutigen Reise geraten Heyerdahl und seine Begleiter mehr als einmal in stürmische Auseinandersetzungen, während denen sich die Frage stellt, ob unverfälschte Forschungsergebnisse wichtiger sind als ein sich sicher fühlendes Forscherteam und wo der feste Glaube an wissenschaftliche These zu einem fanatischen Irrglauben wird – oder vielleicht zu einem Glauben an das Transzendentale. Sofern diese ganze Expedition nicht eh einen reinen Egotrip darstellt. Intensive Schauspielleistungen, poetisch-opulente Bilder und mit wenigen Mitteln erzeugte Hochspannung machen dieses Seefahrerdrama zu einem wahren Sehgenuss und wecken zugleich gigantische Hoffnungen auf das nächste Kinoprojekt des norwegischen Regieduos – eine weitere kleine, unabhängige Abenteuerproduktion über Seefahrer. Pirates of the Caribbean – Dead Men Tell No Tales soll sie heißen, glaub ich ...

Platz 26: Evil Dead (Regie: Fede Alvarez)
Remakes haben unter vielen Filmliebhabern einen denkbar schlechten Ruf. Dabei zählen sie einerseits fast schon seit Beginn der Kinogeschichte zum cineastischen Alltag und andererseits sind einige große Klassiker, selbst wenn viele es vergessen haben, ihres Zeichens Remakes. Das atmosphärische Splatterfest Evil Dead wird wahrscheinlich nicht eines Tages als filmischer Meilenstein gefeiert, trotzdem zähle ich es stolz zu meinen persönlichen Favoriten 2013. Völlig humorbefreit, in garstigen, hochauflösenden Bildern und mit einer Parade an handgemachten Spezialeffekten (in einer Zeit der computergenerierten Dauereffekte): Evil Dead ist eine würdige Wiederbelebung von Sam Raimis trashig-kultigem Tanz der Teufel - und einfach richtig, richtig kurzweilig.

Platz 25: Only Lovers Left Alive (Regie: Jim Jarmusch)
Autorenfilmer und Musik-Connoisseur Jim Jarmusch entzaubert mit stillem Genuss den lange Zeit romantisierten, nun der Kommerzgier geopferten Vampirmythos und schöpft mit Only Lovers Left Alive eine atmosphärisch dichte, melancholische Erzählung über zwei ihrer Existenz müde gewordene Unsterbliche, die mit versnobtem Blick auf die verdummende, sich selbst und ihre Umwelt zerstörende Menschheit herabblicken. Ein berührend lakonischer Tom Hiddleston und eine staubtrocken, messerscharf witzige Tilda Swinton sinnieren in dieser geistreichen, stilvoll kargen Komödie über Literatur, Musik und die Reinheit der Menschheit, hinzu kommen ein vorübergehend die Spannungsschraube aufdrehender Auftritt von Mia Wasikowska als unkultivierte, ungestüme Jungvampirin sowie ein betörend nachdenklicher Soundtrack: Jarmuschs faszinierend urbane Vampirerzählung ist ein kleiner Geniestreich des lethargisch-gewitzten Kinos.

Platz 24: Der Geschmack von Rost und Knochen (Regie: Jacques Audiard)
Rau, unbeschönigt, kühl, aber einfühlsam, frei von Betroffenheitsvoyeurismus und eindrucksvoll gespielt: Das französische Drama Der Geschmack von Rost und Knochen lässt seine Zuschauer an der berührenden, gleichwohl erschreckenden Leidensgeschichte der Waltrainerin Stéphanie (mitreißend, vielschichtig und subtil: Marion Cotillard) teilhaben, die einen grauenvollen Unfall erleidet und sich seitdem allein auf der Welt fühlt. Ausgerechnet der cholerische, alleinerziehende Hobby-Boxer Ali (einzigartig, aber einen Hauch zu schroff: Matthias Schoenaerts) nimmt sich als einziger seiner Zufallsbekannten an, die seinem mitleidigen Freundschaftsdienst aber kaum etwas abgewinnen kann. Nur allmählich tauen die beiden Außenseiter auf, was Regisseur Jacques Audiard in kunstvollen, ruhigen Sequenzen illustriert. Ein Drama, das unter die Haut geht.

Platz 23: Tore tanzt (Regie: Katrin Gebbe)
Drei Kapitel, eine Leidensgeschichte: Der einzige bei den Filmfestspielen in Cannes 2013 gezeigte deutsche Filmbeitrag Tore tanzt berichtet sehr frei nach wahren Begebenheiten vom gutgläubigen wie auch strenggläubigen jungen Erwachsenen Tore (Julius Feldmeier), dessen Wege sich mit einer sozialschwachen Familie kreuzen. Tore beschließt, den von Konflikten geplagten Leuten beizustehen, nicht zuletzt auch aus Zuneigung zur heranreifenden Stieftochter des grantigen Patriarchen Benno (Sascha Alexander Gersak). Tores nicht im Geringsten korrumpierbare Seligkeit bringt diesen allerdings zunehmend aus der Fasson: Aus kumpelhaft gemeinten Hieben werden beabsichtigte Boxschläge, die Dankbarkeit für Tores unablässige Hilfsarbeiten macht Raum für kaltschnäuzigen Nachdruck, mit dem vom „Jesusfreak“ Handwerksdienste verlangt werden. Eine Spirale des Psychoterrors beginnt, der Tore nicht zu entfliehen gedenkt. Katrin Gebbe hält dokumentarisch auf Tores zermürbende Lage drauf, nahezu ohne inszenatorischen Kommentare und befreit von voyeuristischer Gier nach Leid. Lediglich die Überschriften der drei Akte dieses abgründigen Dramas und vereinzelte, doppelbödige Musikuntermalungen liefern Interpretationsansätze – ob die Regisseurin mit ihrem an frühe Arbeiten Lars von Triers erinnernden Film nun aussagen möchte, wie erfolgsversprechend das Prinzip der christlichen Nächstenliebe in unserer heutigen Gesellschaft ist oder ob sie eine emotional nachhallende Variante des Torture Porn beabsichtigte, ob sie Tore in rein positivem Licht zeichnet oder nicht … das kann der geneigte Zuschauer in diesen Momenten selber entscheiden.

Platz 22: The ABCs of Death (Diverse Regisseure)
Viele Episodenfilme sind ziemlich deutlich einem Genre zuzuordnen: Tatsächlich … Liebe etwa ist wenig überraschend ein Liebesfilm, Movie 43 eine grauenhafte Komödie und V/H/S ein Horrorstreifen. Und es liegt nahe, die unabhängig produzierte, wild zusammengewürfelte Episodenzusammenstellung The ABCs of Death ebenfalls ins Horrorfach zu stecken. Immerhin handeln die 26 Kurzfilme davon, auf welche Arten und Weisen der Tod einen Menschen heimsuchen kann und mit Filmemachern wie Ti West, Marcel Sarmiento oder Jake West waren einige Veteranen der schaurigen Erzählkunst an diesem Projekt beteiligt. Jedoch ist der Aufhänger „26 Wege, die in den Tod führen“ nichts weiteres als genau das: Eine lose Themenvorgabe für die 26 Regisseure dieses Episodenfilms, die naheliegend interpretiert werden und in eine kurze Schreckensgeschichte münden kann oder auch eine tonal völlig andere Auslegung erhalten darf. Und so umfasst diese außergewöhnliche Zusammenstellung an Kurzfilmen morbiden und albernen Humor, kunstvolle handwerkliche Übungen, psychisches Grauen, Splatter und Groteskes. Mehr als alle Mainstream-Episodenfilme ist The ABCs of Death ein kleines Happening der Filmkunst und weniger ein kohärenter Genrevertreter mit einer Vielzahl an Plotlines. Nicht jede Episode trifft ins Schwarze, aber dies ist unterm Stich leicht zu verzeihen. Hoffentlich bleiben sich die Produzenten treu und erschaffen mit The ABCs of Death 2 eine weitere Wundertüte an Episoden unterschiedlicher Ausrichtungen – und nicht etwa plötzlich einen reinen Horror-Episodenfilm.

Platz 21: Die Monster Uni (Regie: Dan Scanlon)
Pixar befand sich für einige Jahre auf einem absoluten Durchmarsch. Ratatouille, WALLE und Toy Story 3 zählen für mich zu den besten Filmen aller Zeiten und sind mir unfassbar eng ans Herz gewachsen, Oben, Die Unglaublichen, Findet Nemo finde ich ungeheuerlich stark und Die Monster AG sowie selbst der Original-Cars-Film gefallen mir sehr. Aber keine Glückssträhne hält ewig. Cars 2 zählt mit seinem tönenden Humor, seinen flachen Charakterisierungen und einer extrem fehlgeleiteten Moral für mich zum schlechtesten, was unterm Disney-Label je ins Kino entlassen wurde, 2012 folgte mit dem Schottenmärchen Merida – Legende der Highlands eine fehlgeleitete, frustrierende Produktion, die mich allmählich heftig an Pixar zweifeln ließ. 2013 fand Pixar aber zum Glück ein Stück weit zu seiner früheren Größe zurück: Dieses Prequel ist visuell in seinem Einfallsreichtum überaus beeindruckend und der Score von Randy Newman macht mit seiner spielerischen Adaption klischeehafter Collegefilm-Musik viel Spaß. Das Duo Mike Glotzkowski & James P. Sullivan ist viel zu sympathisch, als dass dieser Streifen enttäuschen könnte und die Monsterwelt, die Pixar hier ausbaut, ist erstaunlich fantasiereich. Hinzu kommt, dass Die Monster Uni für mich klar ein Film ist, der ab dem zweiten Mal Anschauen mehr Spaß macht als beim ersten Mal – denn die bei der Erstsichtung stets den Sehspaß bremsende Befürchtung, dies sein schlichtweg einfach irgendeine Uni-Komödie, verfliegt dank des Vorwissens, wie Pixar die Brücke zur Ausgangslage von Die Monster AG schlägt. Wieso es trotzdem nicht für meine Top 20 genügte? Der tonale Richtungswechsel kommt mir einfach etwas zu spät und so ist dies für mich lange „nur“ eine spaßige Komödie und erst gen Schluss ein wirklich, wirklich denkwürdiger Animationsfilm.

Fortsetzung folgt ...

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